von Gunda
Ich glaube, dieses Wochenende was das skurrilste, was wir je unternommen und kombiniert haben:
Samstag Stadtbummel und Love Hotel, Sonntag Teezeremonie.
Aber fangen wir von vorne an:
Japanische Wohnungen sind ja tendenziell eher kleiner und nicht so sehr auf Intimsphäre ausgerichtet. Zudem wohnen junge Leute in Japan meist noch lange lange bei ihren Eltern und ziehen oft erst zusammen, wenn sie heiraten, also zwischen 25 und 30, manchmal bis 40 oder länger. Also nutzen junge Paare oder deren Eltern gelegentlich die sogenannten "Love Hotels", in denen man sich stundenweise, oder ab 22h über Nacht einquartieren kann. Das sind also keine gewöhnlichen Stundenhotels, sondern Zufluchtsorte für ganz normale Paare. (Prostitution ist in Japan illegal. - Was natürlich kein Hinderungsgrund ist...) Über Nacht bleiben dann auch gerne Reisende in den günstigen Hotels, denn ab 22h ist es billiger, die ganze Nacht zu bleiben. Unser Reiseführer (und japanische Bekannte) versprach auf dem "Love Hotel Hill" nahe der Tokyoter Station Shibuya Erlebnisse der besonderen (Übernachtungs-)Art: Verrückte Häuser mit noch verrückteren Zimmereinrichtungen, über Enterprise, Tarzan und Jane bis hin zu Mickey Mouse alles, was man sich so vorstellen kann. Und da wir immer schonmal ein ganzes Wochenende in Tokyo verbringen wollten, wollten wir uns diesen kitschigen Spaß natürlich nicht entgehen lassen.
Also schlossen wir unseren kleinen Koffer am Bahnhof ein, bummelten ein bischen durch die Stadt, holten unseren Koffer wieder ab und zogen los, um uns auf die Suche nach dem witzigsten Zimmer zu machen. Ich sah uns schon den ganzen Hügel bis nachts um 2h abklappern und dann todmüde ins Bett fallen, ohne das Zimmer richtig bewundert zu haben, weil wir unsere Neugier kaum würden zügeln können, bis wir alles gesehen hatten. Das ging dann aber doch zumindest schneller als ich erwartet hatte, war aber trotzdem langwieriger als geplant.
Weil alles so diskret ist, sieht man in der Eingangshalle auf einer Leuchttafel, wie die Zimmer aussehen, die noch frei sind. Wenn man eins haben will, drückt man auf den roten Knopf daneben und bezahlt einem meist unsichtbaren Angestellten durch eine kleine Öffnung den entsprechenden Betrag, woraufhin das Zimmer automatisch geöffnet wird oder man einen Schlüssel bekommt. (Die Eingänge sind meist von draußen nicht direkt einzusehen, und auch die Parkplätze sind oft durch Vorhänge diskret gehalten.) Die Zimmer sind alle mit Fernseher, Kabelfernsehen, Video, DVD und meistens mit Karaoke ausgestattet. (Falls man sich dann doch mal zu zweit langweilen sollte...) Manche haben Videokameras, damit man sich selber filmen kann. ;-)
Unser Problem war letztlich ganz anderer Art: Kaum eines der Gebäude sah wirklich von außen originell aus, und die Zimmerbilder versprachen alle biedere langweilige Hotelzimmer. - Das hatten wir uns echt anders vorgestellt, zumal solche Namen, wie "Caribean" oder "South Asia" ja doch etwas Gestaltungsmöglichkeiten der Räume hätten ahnen lassen. Selbst das außen knallbunte Hotel, in dem man sich hätte Videos, Lack, Leder und ein Peitschenset mieten können, hatte nur ganz stinknormale Räume.
Und: Samstags ist es erst ab 24h billiger! Also konnten wir kaum anders, als wirklich fast alles abzuklappern und standen dann trotzdem noch eine halbe Stunde im Halbkalten rum. Bei dieser Tour haben wir wirklich meist nur ganz normale Paare (verschiedenen Alters) gesehen, die, wie wir, auf der Suche nach einem Zimmer waren. (Allerdings ohne Koffer.)
Schließlich haben wir uns für das "Hotel 03" und das "Titanic-Zimmer" entschieden. (In
der Hoffnung, daß das kein Sinnbild für unsere Beziehung darstellt.) Das Zimmer war mit Farbe bemalt, die unter Schwarzlicht leuchtet und mit zwei
Sorten Tapete mit fluoreszierenden Motiven beklebt. - Mehr Kitsch konnte man wirklich nicht verlangen. Es kam aber noch besser:
Die Badewanne war unter Wasser mit einer eingelassenen Lampe mit wechselnden Farben zu beleuchten,
es gab einen Wirlpool und Pfirsich-Badezusatz. (Klasse in Verbindung mit dem Wirlpool.) - Unser Badeschwein hat also auch seinen Spaß gehabt. ;-)
Alles in allem waren wir etwas ernüchtert, und letztlich haben wir wegen des Wochenendes auch noch ganz normale Hotelkosten gehabt. (Nur, daß man in ein normales Hotel
schon früher hätte einchecken dürfen.) Aber immerhin ist uns der Streit "Enterprise oder Tarzan und Jane?" erspart geblieben...
Am Sonntag mußten wir bis 10h raus sein, schlossen unseren Koffer wieder ein, frühstückten in einem Café und verbummelten die Zeit bis zur Teezeremonie noch etwas in der Stadt.
Takuya, Thomas' japanischer Kollege aus Berliner Zeiten, begleitete uns. (Natürlich nur zur Teezeremonie!) Dieses Mal war alles etwas lockerer als letztes Jahr. Trotzdem fand Takuya das ganze eher belustigend reglementiert und war sehr erstaunt, als wir ihm gesagt haben, daß letztes Jahr alles noch viel weniger locker war.
Mit Staunen waren wir dann dran, als er uns sagte, das sei die erste Teezeremonie in seinem Leben gewesen. Wir haben also schon an mehr Teezeremonien teilgenommen, als zumindest ein uns bekannter Japaner. - Klasse!
Inhaltlich war natürlich alles wie letztes Jahr.
Danach sind wir noch mit Akapu, die uns eingeladen hatte, und Takuya zu einem Schrein gegangen, der für seine Pflaumenblüten berühmt ist: Dem Yushima-Schrein. Und dort haben wir endlich unsere ersten richtigen Pflaumenblüten des Jahres gesehen. (Ich persönlich mag Pflaumenblüten ja lieber als Kirschblüten, weil die wirklich nach Pflaume riechen und nicht schonwieder nach einem Regen hin sind.)
Später haben wir dann unseren Koffer abgeholt und sind nach Hause gefahren. Auf der Rückfahrt waren wir uns einig: Was für ein merkwürdiges Wochenende!



Letzte Kommentare