von Gunda
Ich habe lange genug schon in Deutschland mit Japanern zusammengearbeitet, und wir sind ja auch schon eine ganze Weile hier, um zu wissen, daß nicht immer alles offen ausgesprochen oder direkt geäußert wird.
Gut, die Japaner in Deutschland "zählen" irgendwie nicht richtig, weil sie sich natürlich in gewisser Weise angepaßt und an die "deutsche" Art der Kommunikation gewöhnt haben. Aber hier wird mir doch immerwieder bewußt, wie sehr sich Deutsche und Japaner in ihrer Kommunikation unterscheiden.
Natürlich bin ich genau deshalb hierhergekommen; um darüber zu lernen. Und da der Inhalt "meines Faches" eher mit meinen Gefühlen verknüpft sein kann, kommt es schon auch zu Blessuren durch "learning by doing". Hier zeigt sich überdeutlich, daß sämtliche in der westlichen Welt gängigen Kommunikationsmodelle auch nur für diese gültig sind. Nichts davon greift in der Kommunikation mit (nicht-"verwestlichten") Japanern wirklich.
Mein Ärger zeigt mir, wie sehr ich trotz allem in meiner "Westlichkeit" gefangen, aber natürlich auch zu Hause bin. Es wird ein langer Weg sein, bis ich "die andere Seite" verstehen kann. Denn das will ich, wenn es geht. Es reicht mir nicht, zu registrieren, daß bestimmte Dinge hier nicht funktionieren und sie einfach zu vermeiden. Ich frage nach dem "Warum", nach der Ursache und nach einem "östlichen Kommunikationsmodell". (Schließlich gibt es hier auch Psychologen...)
Doch das Ganze passiert gerade hier nicht nur auf der Meta-Ebene. Schließlich muß ich hier auch immerwieder auf's Neue kommunizieren.
Ich habe es oft als Belastung empfunden, wenn ich mich mit Japanern angefreundet hatte, die Freundschaft eine intensivere Ebene erreicht hatte und dann der Punkt kam, an dem ich mich mit europäischen Freunden eben auch intensiver auseinandergesetzt hätte. Natürlich kommen gerade beim Verlassen der "ausschließlich-Spaß-Phase" auch Unstimmigkeiten auf, und man stellt Unterschiede fest, die man vorher nicht so gesehen hatte. Mit Europäern wäre "Beziehungsarbeit" angesagt gewesen. Einen gemeinsamen Weg finden. Viele Japaner hingegen ziehen sich oft bei der ersten Unstimmigkeit zurück. Da macht es das Angebot eines offenen Gespräches oder gar ein offener Brief eigentlich noch schlimmer. Ich habe sie selten "zurückbekommen", die Freunde. - Aus ist aus. Durch alles andere verliert man sein Gesicht. Gedanken und Gefühle zu teilen ist ab einer ziemlich niedrigen Grenze schon nicht mehr das Ding der meisten Japaner.
Also bleibe auch ich an der Oberfläche hängen, was ich oft sehr schade finde.
Aber auch beruflich kann das seine Konsequenzen haben. Wie z.B. heute in dem von mir geleiteten Konversationskurs. In einer Mail habe ich darüber folgendes geschrieben:
"Erstmal mußte ich ne halbe Stunde warten, bis überhaupt wer kam (Ich dachte schon, ich hätte mich im Tag geirrt.), das war dann die, die das alles organisiert. Sie hat mir nach ner Weile erzählt, daß von vielen Seiten Kritik über den Unterricht gekommen ist (zu schwer, zu schnell, zu wenig Grammatik...) und sich was ändern sollte. Ich war erstmal total perplex über die Vorschläge, die die anderen Teilnehmer ihr wohl gemacht haben. Denn erstens hatte mir das Paar, das den Kurs vorher gemacht hat, gesagt, die wollen einfach nur reden, und zweitens habe ich ja am Anfang Fragebögen ausgeteilt, auf denen die Teilnehmer u.a. notieren sollten, was sie sich an Themen wünschen. Da hätte man ganz anonym alle möglichen Wünsche frei gehabt, und ich war da ganz offen. Aber das, was da jetzt an Vorschlägen kam, hat wirklich absolut niemand auf diesen Bogen geschrieben. Ich war echt total platt. Daß mir die Teilnehmer das nicht direkt sagen würden, war klar. Schließlich sind es ja Japaner. Aber daß sich niemand das gewünscht hat, was jetzt plötzlich alle zu wollen scheinen, finde ich echt nen ziemlichen Hammer.
Das was ich jetzt machen soll, verspricht, ziemlich stumpfsinnig zu werden. - Stur nach einem Buch und ne Vokabelliste abarbeiten. Aber bitte; wenn die das wollen... Für mich ist es auf jeden Fall weniger Arbeit, als mir jedes Mal Material für zwei spannende Stunden aus den Fingern zu saugen.
Toll fand ich auch die Bemerkung, daß sich die Leute die Wörter von der Vokabelliste einfach nicht merken könnten. Ich habe dann nachgefragt, ob ich Lernhilfen für Zuhause anbieten soll. Nee, meinte die Frau dann, zu Hause würden die Leute sowieso nichts machen. Da konnte ich mir dann doch nicht verkneifen zu bemerken, daß man sich Vokabeln natürlich nur merken kann, wenn man sie auch (zu Hause) lernt.
Tja, und nach einer Stunde oder so kam dann noch eine zweite Frau. Wir haben ein bischen geplaudert und sind dann gegangen."
Da die Kursteilnehmer alle private oder geschäftliche Kontakte nach Deutschland haben, hatte ich so etwas wirklich nicht erwartet. Ich muß wohl in Zukunft etwas mehr "Kulturunterricht" einschieben...
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