Japanese Mikan
von Thomas
Gunda hat ja vor ein paar Wochen schon mal was darüber geschrieben, dass in Japan viele Dinge sehr speziell sind (Total spezial), aber ein Aspekt fehlt in ihrem Bericht noch. Wenn man mit Japanern spricht, dann fällt nämlich eigentlich sofort auf, dass sie, wenn sie über etwas speziel japanisches, über Sitten und Gebräuche, Pflanzen, Tiere oder Essen, das typisch für Japan ist, berichten, immer von "japanese ..." sprechen und immer von "we", also "wir" reden.
Wenn man gefragt wird, "do you like japanese food", ist das ja noch ok, aber wenn dann "food" näher bestimmt wird, wird es oft doch sehr skurril. Da gibt es dann auf einmal "japanese mikan", "japanese pear" oder "japanese potato". Das die Art Mandarine, die man hier Mikan nennt, wirklich aus Japan kommt, weiß auch die Wikipedia zu berichten, die "Nashi-Birnen" gibt's dann aber auch in China und Korea, wie mein koreanischer Kollege immer etwas verärgert betonte und das die Süßkartoffel eine typisch japanische Pflanze ist, fällt mir dann doch langsam schwer zu glauben...
Aber letztlich ist es auch egal, ob die Dinge nun wirklich aus Japan stammen, warum muss man es immer mit betonen? Würde man in Deutschland einen Ausländer fragen, ob er deutsche Kartoffeln, Erdbeeren oder Brombeeren mag? Ob er ganz allgemein deutsches Essen mag, würde man vielleicht fragen, aber nach den Zutaten, wenn man doch weiß, dass es sie auch sonst in halb Europa oder der Welt gibt? Irgendwie nicht, oder? Und wenn es es nur in Deutschland gäbe, wäre es doch auch wieder egal und man könnte das "deutsche" weglassen. Warum fragt man hier so oft "Do you like japanese natto"? Welches Natto soll ich den sonst (nicht-)mögen?
Aber das würde mir wahrscheinlich noch nicht einmal so auffallen, wenn in solchen, und ähnlichen, Diskussionen, nicht noch immer von Seiten der Japaner verstärkt das Wort "wir" eingsetzt würde. Eigentlich ein harmlose Wort, doch in diesem Zusammenhang bekommt einen etwas negativen Beigeschmack (wenn auch wahrscheinlich unabsichtlich). Da sind "wir", die Japaner und da seid "ihr", die Ausländer. "You know, we are doing this...", "we like this...", "we eat...", "we drink...", usw. Das ließe sich beliebig fortsetzten. In Deutschland würde man z.B. sagen (wie ich den Satz formuliere, zeigt eigentlich schon, worauf ich hinaus will) "In Deutschland ist man gerne Sauerkraut", aber wohl niemand würde sagen "wir essen gerne Sauerkraut", oder? Und das setzt sich bis in die Regionen fort. Selbst der stolzeste Bayer würde wohl sagen "in Bayern ticken die Uhren anders" und nicht "unsere Uhren ticken anders".
Diese Formulierung ist irgendwie neutraler, sie schließt letztlich beide mit ein, den Sprecher und den Angesprochenen, denn beide sind jetzt eben in Deutschland. "In Deutschland fährt man mit dem Auto auf der rechten Straßenseite", das gilt für Deutsche wie für Ausländer, wenn sie keinen Unfall bauen wollen. Zu sagen "we are driving on the left side" ist doch irgendwie absurd, oder? Das gilt doch wohl für alle Leute in Japan, egal woher sie kommen...
Aber da drückt sich wohl das hiesige Gruppendenken in diesem kleinen Wort "wir" aus. Wenn ich mir als Ausländer etwas von einem Japaner erklären lasse, dann sind wir halt nicht in der selben Gruppe, wenn auch in der selben Situation, was in dem Fall für einen Deutschen wohl das maßgeblichere wäre, wenn er in der umgekehrten Lage wäre. Irgendwie wäre das auch gar nicht so schlimm, wenn es nicht so etwas ausgrenzendes hätte. Schon das erste Wort in der Erklärung signalisiert einem, du gehörst nicht dazu. Du magst zwar hier sein, aber du gehörst nicht zu uns (egal wie inhomogen diese Gruppe "wir Japaner" auch sein mag). Wozu etwas lernen, sich an etwas gewöhnen, etwas mitmachen, sich einfügen, wenn man am Ende doch nicht mit eingeschlossen wird? Wenn einem schon vorher klar ist, dass man ein Ziel nicht erreichen kann, warum es dann versuchen? Manchmal ist es gar nicht so einfach, hier zu sein...
Stimmt.
Kommentiert von: Gunda | 28. März 06 um 11:41